Fischenich

Die römische Besiedlung des heutigen Hürther Stadtteils Fischenich wird durch Funde von Bauresten und Steinsärgen, besonders im Bereich des Dorfangers, der „None“, der heutigen Platzstraße, nachgewiesen. Frühfränkische Grabfunde wurden im Bereich der Burggarten¬straße gemacht. Ob das Dorf seinem Namen einem Römer namens „Piscenius“ verdankt oder dieser von „Piscinia“ = Fischteich abzuleiten ist, bleibt ungeklärt, wobei die erste Deutung wahrscheinlicher ist. Hierfür spricht, dass der Name schon längst urkundlich bezeugt war, bevor die Kart¬häuser¬mönche im Mittelalter den Weilerbach stauten und zwischen dem Weilerhof und dem Ort Fischenich drei Fischteiche anlegten.

Die Geschichte des früheren Bauerndorfes Fischenich beginnt urkundlich 696 damit, das Plektrudis, Gemahlin  von Pippin der Mittlere, Majordomus von Austrasien und Beherrscher des gesamten Reiches, dem Damenstift St. Maria im Kapitol zu Köln Güter und Ländereien in Efferen, Fischenich und Stotzheim schenkte. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Fischenich 1189 unter anderem in einer Urkunde des Erzbischofs Philipp von Köln, in der Otto de Viskenich und sein Sohn Almarus als Zeugen benannt werden.

Später bestand die Herrlichkeit Fischenich aus mehreren Höfen, die in einem Lehnshof¬verband mit dem Fronhof (400 Morgen Ackerland, Waldungen) als Mittelpunkt zusammengefasst waren. Zu diesem Verband gehörten weiterhin der Karthäuserhof, der Weilerhof, das Zudendorfer Lehnsgut, der Plettenberger Hof, der Kutzhof, der Frentzerhof und der Konraderhof. Auf dem Fronhof wurden die Erbpachten und sonstigen Abgaben entrichtet. Hier tagte auch das Hofgericht, zu dem jedes Lehnsgut einen Geschworenen zu stellen hatte.

Neben dem Hofgericht, welches die Angelegenheiten der Großgrundbesitzer regelte, gab es eine Bauerbank. Hierbei handelte es sich um ein Dorfgericht, das sich um die Belange der kleinen Bauern kümmerte. Ein so genannter Bauerbrief legte die Zuständigkeiten und Verfahrensweisen der Bauerband, deren Vorsitzender der Bauermeister war, fest. Jährlich dreimal hielt die Bauerbank ein „ungebotenes Geding“ ab, und zwar auf Palmsonntag, am Tag vor Christi Himmelfahrt und am Sonntag vor dem Geburtsfest von Johannes dem Täufer. An dieses mittelalterliche Gerichtswesen erinnert heute noch die Straße „An der Bauerbank“.

Fischenich wurde durch die besondere Lage zwischen Köln und Bonn Jahrhunderte lang immer wieder von marodierenden Truppen heimgesucht. Lagen vor deren Stadttoren Kriegstruppen, konnte das Bauerndorf Fischenich vor Raub und Plünderungen nicht mehr retten. Da war die Not oft sehr groß.

Fischenich wurde vom Amtmann in Bergheim verwaltet. Die jeweiligen Ritter auf der Fischenicher Burg nahmen die Vogteirechte der Herzöge von Jülich wahr. Der Besitz der Burg berechtigte zum kurkölnischen Landtag. Damit war der jeweilige Junker von Fischenich der geborene Vogt und der jeweilige Herzog von Jülich der vom Konvent St. Maria im Kapitol gewählte Vogt von Fischenich. Fischenich war nicht wie Gleuel, Hermülheim, Hürth und Kendenich eine richtige Unterherrschaft mit ent¬sprechend erweiterter selbständiger Gewalt, sondern eine Grund¬herrschaft des Stiftes St. Maria im Kapitol.

Mit dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen 1794 begann auch für Fischenich eine neue Zeit. Die Franzosen lösten 1802 im Zuge der Säkularisation alle kirchlichen Güter auf und beendeten damit alle auf dem Lehnsrecht beruhenden Herrschaftsverhältnisse. Der von ihnen begründeten Bürgermeisterei Hürth ordneten sie die selbstständige Gemeinde Fischenich zu. Zeitgleich gründeten die Franzosen auch die Bürgermeisterei Efferen und legten damit den Grundstein für die spätere Großgemeinde und heutige Stadt Hürth.

Fischenich, am Rande der Kölner Bucht am östlichen Villehang und auch klimatisch sehr günstig gelegen, war ein Dorf mit überwiegend landwirtschaftlicher Struktur. Die Veränderungen durch die Industrialisierung, insbesondere durch den Braunkohlenabbau, wirkten sich hier nicht so aus wie in den Nachbarorten. Inzwischen ist die Zahl der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe bei fast konstant gebliebener Einwohnerzahl (28.02.2007: 5.132) von 86 nach dem Zweiten Weltkrieg auf 14 im Jahr 1995 und danach noch weiter zurückgegangen. Von den 120 Nebenerwerbsbetrieben sind heute fast keine mehr erhalten.

Versteigerung

Die Fischenicher Bauern konnten Ihre Produkte seit 1928 über die von ihnen gegründete Obst- und Gemüseabsatzgenossenschaft auf der Versteigerung selbst vermarkten. Davor mussten sie ihre Erzeugnisse nach Köln transportieren und dort verkaufen. Rentabel wurde die Versteigerung aber 1936, als die damaligen braunen Machthaber den Landwirten aus dem gesamten Vorgebirge eine Zwangsvermarktung in Fischenich verordnet hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Genossenschaft zunehmend unrentabler. Sie schloss daher 1971 ihre Tore und fusionierte mit der Versteigerung in Bornheim-Roisdorf. Seitdem müssen die Fischenicher Landwirte ihre Produkte dorthin fahren. Das eigentliche Versteigerungsgebäude mit der großen Uhr, wo unten die Bauern mit ihren Fahrzeugen durchfuhren und oben rechts und links die Händler saßen, ist heute noch erhalten. Es steht am Anfang der Raiffeisenstraße gegenüber dem Hotel-Restaurant Breitenbacher Hof. Die übrigen Gebäude und Werkstätten mussten einer Reihenhaussiedlung weichen.

Gemüsebauschule

1926 hatte der damalige Landkreis Köln am Marktweg eine Gemüsebauschule errichtet, die von den Kindern der Vorgebirgsbauern besucht wurde. Sie wurde geschlossen und 1958 nutzte die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft das Gebäude und die umgebenden Felder. Die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse des Institutes auf dem Gebiet der Gemüsekrankheiten und Unkrautvernichtung kamen den Landwirten unmittelbar zugute. 1985 wurde die Anstalt nach Braunschweig verlegt und das Gebäude an einen Landwirt veräußert.

Das Kloster

1907 errichteten die Kölner Cellitinnen zur heiligen Maria in der Kupfergasse auf dem Burggelände ein Nonnenkloster, das St. Joseph-Haus, sowie ein Altenheim mit Klosterkapelle. Möglich wurde dies, weil der 1894 gegründete Spar- und Darlehnskassen-Verband das gesamte Rittergut erworben und das Gelände der Burgruine an den Orden weiterverkauft hatte. Bis 1980 gehörten die Nonnen zum Ortsbild. Sie pflegten Säuglinge und ab 1915 alte Menschen, leiteten den Kindergarten und bildeten junge Mädchen in Hauswirtschaft aus. Nachwuchssorgen sowie die veralterte Bausubstanz der Gebäude zwangen die Ordensschwestern dazu, das Kloster in Fischenich aufzugeben und das Anwesen zu verkaufen. 1981 wurden sämtliche Gebäude abgerissen und die alte Burgruine mit Reihenhäusern eingerahmt, deren Bebauung dem früher vorhandenen Burggrabens nachempfunden ist.

Sehenswürdigkeiten

Von dem unterhalb der Kirche gelegenen Fronhof ist nur noch das Herrenhaus von 1770 erhalten. Beim Ausbau der Gennerstraße wurden die Reste der alten Stallungen abgerissen. Westlich der kath. Pfarrkirche sind Teile des ehemaligen Karthäuserhofes erhalten, den die Kölner Mönche 1408 erwarben. Die ältesten Teile stammen aus dem 18. Jh. Das große Fachwerkhaus an der Gennerstraße sowie die beiden Fachwerkhäuser An St. Martin 4 und 6 gehörten damals zum Karthäuserhof.

An der Stadtgrenze zu Brühl liegt der Weilerhof, den die Karthäuser bereits 1348 erworben haben. Der heute erhaltene Vierkanthof stammt von 1911, das von einem Park umgebene benachbarte Herrenhaus, eine neugotische Backsteinvilla wurde 1869 errichtet und gehört bereits zum Stadtteil Brühl-Vochem. An die vielen großen Höfe in Fischenich erinnern heute noch viele Straßennamen.

Von den Wegekreuzen in der Gemarkung Fischenich ist besonders das wegen seiner Inschrift so genannte „Napoleonkreuz“ an der Ecke Gennerstraße/An der Fuhr zu nennen mit der historisch interessanten Inschrift: „Ein entarteter Völkersinn warf mich voll Verachtung einst darnieder. Ein gut Prinzip, für das ich bin, erhob mich Napoleon wieder 1806“.

Helmut Görtz

Quellen:
Clemens Klug: Hürth – wie es war, wie es wurde; Clemens Klug: Hürth – Kunstschätze und Denkmäler;
Heinz Firmenich: Rheinische Kunststätten – Stadt Hürth; Dr. Manfred Faust: Rheinische Kunststätten – Stadt Hürth;
Manfred Germund: Fischenich – Historische Entwicklung und zeitgenössische Deutung (Hürther Heimat Heft 75)

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